Allgegenwärtig – aber schwer zu fassen
Einige der Organisatoren im Wolfsburger Phaeno (von links): Lavie-Geschäftsführerin Corinna Wollenhaupt, Prof. Dr. Jürgen Mauthe (Refernt und Axon-Vorsitzender), die Moderatoren Lukas Hoffmann und Florian Borchert sowie Elisabeth Viedt vom Verein Axon, die mit ihrem Team verantwortlich ist für die Tagungsreihe. Alle Fotos: Regio-Press
Allgegenwärtig – aber schwer zu fassen
In der Tagungsreihe von Axon, Der Weg und Lavie wurde beim Thema Wohnen klar, wie vielschichtig manche Probleme der Zeit sein können.
Von Frank Wöstmann
Wolfsburg. Die zweite von drei Fachtagungen zum Thema „Dimensionen psychosozialer Grundbedürfnisse“ war wieder ausgebucht. Im Wolfsburger Phaeno ging es diesmal für mehr als 70 Gäste um den Komplex ,Wohnen‘. Schnell zeigte sich, dass dieser Bereich vielschichtiger und komplexer ist als die bisher diskutierte ,Gesundheit‘ und wohl auch die ,Arbeit‘ (am 30. Mai in Königslutter).
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„Das Thema ist natürlich allgegenwärtig und betrifft ja auch alle Menschen“, erklärte Elisabeth Viedt die bunte Mischung der Referentinnen und Referenten. Als Mitarbeiterin des Vereins Axon hatte sie mit ihrem Team die Reihe der drei Tagungen organisiert. Weitere Veranstalter sind die Lavie Reha gGmbH sowie Der Weg, Verein für gemeindenahe sozialpsychiatrische Hilfen. „Für die Diskussion der Frage, wie zukünftiges Wohnen gelingt, haben wir eine breite Basis gefunden.“
Gleichwohl: Seine Komplexität macht das Thema auch schwerfällig für Änderungen. Eine bedarfsorientierte Verbesserung der Situation über Neubauten dürfte Jahrzehnte dauern – gerade vor dem Hintergrund der bundesweiten Bau-Krise. „Umso mehr müssen wir den aktuellen Bestand in den Fokus nehmen“, unterstrich Elisabeth Viedt. „Es ist höchste Zeit, die Vorgaben umzusetzen.“
Die Tagung griff dabei eine Fülle von Aspekten auf. Vom Wohnen als Menschenrecht über das selbstbestimmte Wohnen bis hin zu einem echten Zukunftsthema: die gesamtstädtische Sozialplanung zur Förderung der Teilhabe-Chancen. Der Vortrag ,Wohnzufriedenheit – wie die Umwelt unsere Gesundheit bestimmt‘ verdeutlichte Wechselwirkungen, die auch auf anderer Ebene deutlich werden: Wohnungslosigkeit und psychische Erkrankung stehen oft in einem engen Verhältnis zueinander, wobei sich Ursache und Wirkung nicht immer eindeutig zuordnen lassen.
Carmen Guerra von der Zentralen Beratungsstelle Niedersachsen berichtete ergreifend von Fällen, in denen Menschen unfreiwillig wohnungslos geworden sind. Das besondere Drama: „Die Zahl der betroffenen Familien mit Kindern steigt und liegt jetzt schon bei 30 Prozent.“ Das lässt nichts Gutes für die Zukunft erwarten, denn die Expertin sagt auch: „Da wird jetzt Vieles kaputt gemacht, das sich schwer oder gar nicht wieder reparieren lässt. Würde und Wohnen gehören eben doch eng zusammen.“
Immerhin ist die Szene in Bewegung, wenn es um Wohnen mit psychischer Erkrankung geht, erklärte Buchautor Matthias Rosemann. Gerade unter dem Einfluss des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) hätten sich eine Reihe von Differenzierungen ergeben: unterstütztes, betreutes oder selbstbestimmtes Wohnen – „doch was bedeutet das für unsere Konzepte?“, fragte der Autor. „Müssen wir künftig Wohnen und Betreuung getrennt von einander betrachten?“ Und auch der Bedarf unterliege einem steten Wandel: „Schließlich ändern sich die Bedürfnisse aller Menschen im Laufe des Lebens – auch für psychisch Kranke.“
Vielschichtig ist die Problematik, und vielschichtig war die Veranstaltung im Phaeno. „So allgegenwärtig das Thema ist, so schwer ist es auch zu greifen“, formulierte Elisabeth Viedt in ihrem Resümee. Immerhin stehe das Ziel im Raum, die Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden. „Das gilt.“
Die Tagung im berühmten Wolfsburger Wissenschaftsmuseum bezeichnete sie als geglückt. „Es war eine gelungene Veranstaltung an einem gelungenen Ort.“ Einen besseren Aufschlag habe man sich im Zentrum von Wolfsburg kaum wünschen können. „Der Ort war ebenso präsent wie das Thema.“