Ein Künstler von Rang und Namen
Abschluss-Abend: Der Workshop endete mit der Präsentation verschiedener Werke, bei der auch Rainer Gosslar (ganz rechts) und Senol Karakaya (daneben) großen Spaß hatten. Foto: Lavie
Ein Künstler von Rang und Namen
Senol Karakaya kam aus Instanbul zur Lavie Reha, um die Jugendlichen für die Kunst und ihre eigene Kreativität zu öffnen.
Von Frank Wöstmann
Königslutter. Eine Mischung aus Performance, Philosophie-Stunde und Kreativtechnik – so gestaltete sich jetzt ein Graffiti-Workshop des Künstlers Senol Karakaya. Vor und vor allem mit Teilnehmenden der Lavie Reha in Königslutter bot er an gleich vier Terminen Kostproben seiner Kunst, forderte die Jugendlichen aber auch zum Mitmachen auf.
>> Direkt zur Bildergalerie am Ende der Seite
Der 33-jährige Türke hat in seiner Heimat einen erstaunlichen Ruf. Er arbeitet als Lehrer, doch gerade seine künstlerischen Arbeiten finden sich in Istanbul an jeder Ecke. „Er hat große Fernseh-Präsenz und schuf mittlerweile eine Reihe von Kunstwerken, die gewaltige Ausmaße haben“, erzählt Zekai Tuncer. Er gehört zum Vorstand der türkisch-islamischen Gemeinde in Königslutter und fungierte beim Workshop als Dolmetscher.
„Senol hat zum Beispiel eine Hauswand in Istanbul mit einem 200 Quadratmeter großen Porträt des Staatsgründers Kemal Atatürk verschönert – als Graffiti“, sagt Tuncer, während der Künstler entsprechende Fotos zeigt. Das jüngste Projekt war sogar noch gewaltiger: Vor der Präsentation eines neuen Flugzeugs nahm Karakaya die 500 Quadratmeter große Wand des Hangars unter seine Spraydosen, in dem der Flieger stand.
Als Künstler also darf der türkische Gast durchaus als Popstar gelten, und auch in seiner Rolle als Kunstlehrer kann er Großes vorweisen: „In den vergangenen Jahren habe ich 1200 Schülerinnen und Schüler ausgebildet – mit Zertifikat“, erzählt er mit erkennbarem Stolz. Doch wie kommt ein solch renommierter Mann nach Königslutter?
Die Antwort auf diese Frage hat mit Rainer Gosslar zu tun, dem ehemaligen Leiter der Reha-Einrichtung. „Wir pflegen seit vielen Jahren einen Austausch mit dortigen Künstlern.“ Mehrfach kamen Gäste vom Bosporus an den Elm, und es gab auch schon Reisegruppen in die entgegengesetzte Richtung. „Einmal war auch Senol dabei, damals noch Student an der Hochschule der ,Schönen Künste‘ in Istanbul.“
Und der gewann offenbar einen guten Eindruck. „Darum will er den Jugendlichen jetzt gern ehrenamtlich etwas mitgeben auf ihrem Lebensweg“, übersetzte Zekai Tuncer. Das gelang schnell. Karakaya ist ein ausgesprochen positiver Mensch mit toller Ausstrahlung. Den jeweils 20 Teilnehmenden aus den Bereichen Malerei und Medien-Design nahm er mit großem Enthusiasmus jede Scheu.
Und er griff dabei in die Trickkiste von Dalí und Picasso: „Nehmt Stift und Papier und schließt die Augen. Seht zehn Sekunden lang, was vor eurem inneren Auge passiert und malt es aufs Papier – ebenfalls bei geschlossenen Augen.“ Im nächsten Schritt sollten Vierer-Gruppen ihre Zeichnungen auf einem Blatt vereinen und schließlich als Team den anderen eine Geschichte vorspielen, die sich hinter diesem Blatt verbergen könnte.
Innerhalb weniger Minuten gelang es Karakaya auf diese Weise, die Jugendlichen (die ja bei Lavie durchweg mit psychischen Problemen zu kämpfen haben) für sein Vorhaben zu öffnen und zu begeistern. Bei den Kurzvorführungen ging es um Mobbing, um die eigenen Ziele und dass man sie nicht aus den Augen verlieren darf. Viel Applaus gab es von allen.
„Ihr solltet stets versuchen, eure Gedanken freizulassen“, warb der Künstler für Bewusstseinserweiterung, bevor er zur Acrylfarbe griff und zu Sprayen begann. Denn Neuerungen und Verbesserungen fänden immer zuerst im Kopf statt. „Auf diese Weise erkennen wir, was uns wichtig ist in der begrenzten Lebenszeit, die uns gegeben ist – und erst dann können wir diese Erkenntnis nutzen und danach leben.“