Ein konkreter Wunschzettel für die Region
Die Initiatoren der Fachtagung im Medienhaus (von links): Elisabeth Viedt (Tagungsleiterin), Prof. Dr. Jürgen Mauthe (Referent und Axon-Vorsitzender) sowie Corinna Wollenhaupt, Geschäftsführerin der Lavie Reha gGmbH. Alle Fotos: Regio-Press
Ein konkreter Wunschzettel für die Region
Die erste Fachtagung von Lavie Reha, Axon und Der Weg brachte eine Fülle von Impulsen für die nächsten Schritte.
Von Frank Wöstmann
Braunschweig. Psychische Erkrankungen sind in Deutschland auf dem Vormarsch. Nahezu jeder zweite Mensch erfährt im Laufe seines Lebens einmal eine Krise, seien es Ängste oder Panikattacken. Vor diesem Hintergrund ist eine Tagungsreihe hochaktuell, deren Auftakt jetzt in Braunschweig stattfand: „Dimensionen psychosozialer Grundbedürfnisse: Gesundheit“ hieß die Veranstaltung, zu der mehr als 80 Besucher ins Medienhaus kamen.
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Der Vorteil solch lokaler Vorstöße: Die Akteure kennen sich und die Probleme vor Ort. Sie können sich schneller vernetzen, um künftig Lösungen zu finden. Das sah auch Elisabeth Viedt so, Tagungsleiterin und Projetktmanagerin im Verein Axon. „Erstmal wollten wir den Status Quo erstellen nach der Frage, Wie gut sind wir versorgt? Wo drückt der Schuh?“
Diese Fragen seien essenziell für Teilhabe und Zusammenleben, unterstrich Braunschweigs Sozialdezernentin Dr. Christina Rentzsch in ihrem ausführlichen Grußwort. Und sie bedauerte, dass Negativbeispiele die Berichterstattung dominieren: „Ich würde mir mehr Informationen über Positives und die denkbaren Optionen wünschen“, betonte sie, „denn vielversprechende Ansätze sind ja da.“
Gleichzeitig stellte sie fest, dass der Fachkräftemangel auch auf diesem Gebiet spürbar sei. „Wir sind unterversorgt mit Fachärzten wie Psychiatern.“ Dabei sei gerade jetzt die Prävention ungemein wichtig. „Wir müssen dringend vor die Welle kommen.“ In diesem Zusammenhang sei die Ambulantisierung ein wichtiges, aktuelles Schlagwort. Auch der Aufklärung an den Schulen maß Dr. Rentzsch große Bedeutung bei. „In jedem Fall müssen wir dahin kommen, mit den Menschen zu sprechen, nicht über sie.“
Prof. Dr. Jürgen Mauthe erinnerte in seinem Vortrag daran, dass es das Grundrecht gebe, Gesund zu sein oder wieder gesund zu werden. Der Psychiater und ehemalige Leiter des Landeskrankenhauses in Königslutter sitzt heute dem Verein Axon vor. Seiner Erfahrung nach steige nicht nur die Zahl psychisch kranker Menschen, sondern auch die „psychische Komorbidität“ nehme weiter zu – also jene Fälle, in denen ein psychisch Kranker gleichzeitig eine körperliche Erkrankung hat.
Die Versorgung müsse dringend verbessert werden, mahnte der Experte: „Es kann nicht sein, dass Kranke drei Monate auf einen Termin beim Psychiater warten wüssen.“ Diese Zeiten müssten umgehend verkürzt werden. „Wenn es brennt, kommt die Feuerwehr auch nicht erst in vier Wochen.“ Und er schloss ein Grundbedürfnis an, ohne das es in jedem Fall schwer wird mit dem Heilungserfolg: „Persönliche Beziehungen sind das stabilisierendste Element für die Psyche.“
Die Fachtagung bemühte sich, einen umfassenden Überblick zu liefern. Es folgten Vorträge zum Landespsychiatrieplan Niedersachsen, zum PsychReport der DAK und zur Digitalisierung in der Psychotherapie. Besonders gut kam der Trialog vom Psychiatrie-Forum Braunschweig zum Thema an, also das Gespräch von Betroffenen, Angehörigen und Experten auf der Bühne.
Das abschließende „Zukunftsforum“ brachte eine Reihe von Ideen und Forderungen. „Im Resümee sind wir uns einig, dass die Intensivierung der Prävention unabdingbar ist. Auch muss es mehr psychiatrische Interventionsangebote an Schulen geben“, sagte Elisabeth Viedt. An Universitäten müsse über niederschwellige Angebote informiert werden. „Bei Auffälligkeiten wie zum Beispiel Langzeitstudenten sollten wir auf die Leute zugehen.“
Die Katastrophenbewältigung sei ein Bestandteil der Prävention. „Das bedeutet, dass wir unsere Gesellschaft bereits vor Katastrophen wie Corona, Krieg, Klimakrise oder vor Situationen, welche die Psyche beeinträchtigen können, auf mögliche psychische Belastung vorbereiten und Ressourcen zur Bewältigung bereitstellen müssen.“
Konkreteste Idee des Zukunftsforums war das „Hilfetelefon“. „Wir brauchen eine zentralen Infobereich bei psychischen Beschwerden, zum Beispiel eine zentrale Rufnummer in der Region.“ Alle Ideen werden jetzt zu Papier gebracht und dann den Verantwortlichen der Region zugeschickt. Dies dient der künftigen Vernetzung – ebenso wie die nächsten beiden Tagungen zu den Themen „Wohnen“ und „Arbeit“:
Thema Wohnen: 11. April, 8 bis 16 Uhr im Phaeno in Wolfsburg
Wohnen ist ein Menschenrecht und ermöglicht Selbstbestimmung und Teilhabe, darüber hinaus ist Wohnen ein zentraler Bestandteil zum Erhalt oder zur Förderung der Gesundheit. Wie gelingt ein zukünftiges Zusammenleben in der Region Braunschweig-Wolfsburg?
Thema Arbeit: 30. Mai, 8 bis 16.30 Uhr bei Lavie Reha gGmbH in Königslutter
Arbeit sichert unsere Existenz und stabilisiert den Selbstwert. Für Menschen mit seelischen Erkrankungen sind bestimmte Anforderungen des Arbeitsmarktes noch immer eine Hürde, dabei werden Arbeitskräfte dringend benötigt. Wie kann Inklusion gelingen und wie wollen wir zukünftig arbeiten?
Anmeldungen zu diesen Veranstaltungen der Vereine Der Weg, Axon und der Lavie Reha gGmbH sind im Internet möglich: www.axonev.de/fachtagung.php